Chronik 1984-2008

Neue Voraussetzungen ab 1984 - der Chor passt sich an

Einleitung

Propst Josef Kauff (re) und sein Nachfolger Propst Edmund Erlemann (li)
Propst Josef Kauff (re) und sein Nachfolger Propst Edmund Erlemann (li)

Im letzten Vierteljahrhundert veränderten sich die Voraussetzungen für die Pflege der Kirchenmusik im Gladbacher Münster entscheidend: Das traditionelle Hochamt am Sonntag um 10 Uhr fiel 1986 weg nach Beschluss des Pfarrgemeinderats. Nur noch einmal im Monat nebst den Hochfesten wurde eine Messe mit mehrstimmigen, vom Münsterchor vorgetragenen Gesängen um 11 Uhr im Münster gefeiert. 

 

Als Münsterkantor Klaus Paulsen im Jahre 2002 seine Tätigkeit am Münster begann, entsprach es dem Wunsch des damaligen Propstes Edmund Erlemann, wieder an jedem Sonntag ein anspruchvolles Musikprogramm um 11 Uhr 15 anzubieten.

 

Hierzu lädt seitdem Klaus Paulsen weitere Chöre der Stadt und aus dem weiteren Umkreis sowie Kinder- und Jugendchöre der Musikschule ein. Der Münsterchor übernimmt weiterhin einmal im Monat die musikalische Gestaltung. Die Besucher nahmen dieses Angebot dankbar an; die Zahl der Gottesdienstbesucher nahm ständig zu.

 

Einschneidend für die Kirchenmusik im Münster war außerdem wegen der umfangreichen Restaurierungsarbeiten am Münster im Jahr 2000 der Ausbau der Riegerorgel, die erst 2008 wieder eingebaut werden konnte.

 

Schließlich ist noch zu erwähnen, dass aufgrund der scharfen Sparmaßnahmen des Bistums Aachen für den Münsterkantor nur noch eine Planstelle von 70% in der Gemeinschaft der Gemeinden zur Verfügung stand. Das hatte zur Folge, dass der Münsterkantor Klaus Paulsen zusätzlich die Leitung der Singschule an der Gladbacher städtischen Musikschule übernahm, um sein Auskommen zu haben.

 

Das Jubiläumsjahr 1984

Festschrift des Münsterchores zum 150-jährigen Jubiläum
Festschrift des Münsterchores zum 150-jährigen Jubiläum

Alles das ahnte niemand, als der Chor 1984 sein prunkvolles 150. Jubiläum feierte. Als Schirmherrn hatte er den ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Franz Meyers gewinnen können, der sich als Gladbacher und Freund des Münsters der Gemeinschaft seit Jahrzehnten verbunden fühlte. Am 20. März wurde er auf seinen eigenen Wunsch hin „förderndes Mitglied des Münsterchores St. Vitus“.

 

Zum Auftakt des Jubiläumsjahres sang der Chor im Münsterkonzert vom 7. Februar unter der Leitung des Münsterkantors Viktor Scholz neben dem „Transitus animae“ von Lorenzo Perosi (1872-1956), der zur italienischen veristischen Schule gehörte und äußerst produktiv gewesen ist, die 1930 entstandene Psalmensymphonie von Igor Strawinsky (1882-1971).

 

Im dritten Satz dieses neoklassizistischen Werks erklingt der 150. Psalm mit „Alleluja Laudate Dominum“ (Lobet den Herren). Damit wies der Chor auf sein Selbstverständnis hin: Gott im Gesang zu loben! Die „Rheinische Post“ sprach im Zusammenhang mit der Darbietung von einem Glaubensbekenntnis in Musik und die „Westdeutsche Zeitung“ berichtete von „einer Aufführung wie aus einem Guss“.

 

Albert-Leo Wolf
Albert-Leo Wolf

Anlässlich des Vitusfestes und zum Abschluss einer geistlichen Woche erklang am 24. Juni die Messe in C-Dur opus 86 von Ludwig van Beethoven (1770-1827). Am Ende des Jahres folgte dann am 18. November die Große Messe in f-Moll von Anton Bruckner (1824-1896). Die „Rheinische Post“ schrieb dazu, der Chor sei auch diesmal gut vorbereitet gewesen und Viktor Scholz sei dem „weitschwingenden, oft feierlichen Duktus der Musik nichts schuldig“ geblieben. Der Rezensent bescheinigte dem Chor eine „überzeugende Leistung“. In einem Empfang nach dem Hochamt, zu dem Oberbürgermeister Heinz Feldhege eingeladen hatte, wurde der Münsterchor als „ein hervorragender Träger des Musiklebens in Mönchengladbach“ bezeichnet, was den Nagel auf den Kopf traf.

 

Der damalige Vorsitzende des Chors, Albertleo Wolf, bedankte sich für soviel Lob und versicherte, dass es immer Ziel bleibe, „Werke alter und neuer Zeit zu pflegen, zur Verschönerung des Gottesdienstes und zur Freude der Zuhörer“. Damit wurde die dienende Funktion des Chors betont und nicht ausgeschlossen, sich der Moderne zu öffnen.

 

Nachzutragen bleibt noch, das damals eine umfangreiche Jubiläumsschrift mit einem vornehmen silberfarbenen Umschlag, die sich mit der Geschichte der Gemeinschaft befasste, herauskam und eine kleine Ausstellung auf 150 Jahre Münsterchor hinwies.

 

                                                der Chor 1984
der Chor 1984

Viktor Scholz fordert den Chor

Bei der 150-Jahrfeier stand der Chor unter künstlerischer Führung des weit über die Grenzen der Stadt Mönchengladbach hinaus bekannten Viktor Scholz.

 

1985, ein Jahr nach den Jubiläumsfeiern, wurde er kirchlicherseits besonders geehrt und mit dem Titel eines Kirchenmusikdirektors ausgezeichnet. Er leitete das Ensemble bis 2000. In dieser Zeit trat er Jahr für Jahr mit dem Chor bei den Münsterkonzerten auf. Es erklangen besonders bekannte Werke des Thomaskantors Johann Sebastian Bach (1685-1750) wie das Magnificat (BWV 243) und das Weihnachtsoratorium (BWV 248) sowie die nicht so häufig aufgeführte geistliche Kantate „Lobet den Herren“ (BWV 137).

 

Selbstverständlich erfreute man auch das Publikum mit Marc Charpentiers (1643-1704) „Te Deum“, dessen Präludium fast jeder kennt, weil es die Eurovisionsmelodie ist. Ferner wurde seine Weihnachtsmesse gesungen. Bemerkenswert war die „Missa brevis“ des Jenaer Bachs Johann Nikolaus (1669 -1753), in der beim Gloria der lateinische Text und die choralartige deutsche Übersetzung simultan erklingen.

 

1. Vorsitzender seit 1987 Norbert Kleinendonk

Von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) wurden u. a. die geschätzte Krönungsmesse (KV 317) das berühmte Requiem (KV 626) und von Joseph Haydn (1732-1809) neben der Missa in Angustiis Nr. 11 d-Moll (Nelsonmesse) und der Nikolai-Messe die anspruchsvolle „Schöpfung“ dargeboten. Von den Romantikern standen Franz Schuberts (1797-1828) Messen in B-Dur opus 141 und in F-Dur opus 105 auf dem Programm. Von den Spätromantikern fehlten weder Franz Liszt (1811-1886) mit seinem „Ave Maria“ noch Anton Bruckner (1824-1896) mit der großen Messe in f-Moll und einer Choralmesse. 

 

Aber Viktor Scholz beschränkte sich nicht auf das barock-klassisch-romantische Repertoire. Er führte auch Werke von weniger „gängigen“ Komponisten vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart auf wie etwa die französischen Komponisten Charles Gounod (1818-1893), César Franck (1822-1890), Camille Saint-Saëns (1835-1921), Charles-Marie Widor (1844-1937) und Gabriel Fauré (1845-1924), ferner Marie-Joseph Erb (1858-1944), Leos Janàcek (1854-1928), Edward Elgar (1857-1934), Sergei Rachmaninoff (1873-1943), Henry Balfour Gardiner (1877-1950), Johann Baptist Hilber (1891 – 1973), Hendrik Andriessen (1892-1981), Hermann Schroeder (1904-1984) und Zsolt Gárdonyi (1946).

 

Außerdem pflegte er die Renaissancemusik und brachte Werke etwa von Pierre Colin (geb. 1504), Palestrina (1525-1594) und Orlando di Lasso (1530/32-1594) zu Gehör. Die Messe von Hans-Leo Hassler (1564 – 1612) für achtstimmigen Doppelchor sang der Münsterchor von 1987 bis 2006 zwölfmal.

 

Die Presse sprach immer wieder von Aufführungen von hoher Qualität, von der klanglichen Beherrschung der Werke durch den Chor, ja von „musikalischer Gipfelwanderung“ und opulenter Klangpracht“. Auch die mehrfache Mitwirkung des Chores bei der Mess- und Konzertgestaltung im Aachener Dom zeugte von großer Wertschätzung über die Grenzen der Stadt hinaus. 

 

Nachfolger von Viktor Scholz, der seit 1958, also 42 Jahre lang, den Chor geleitet und ihn entscheidend geprägt hatte, wurde am 1. April 2000 Gereon Krahforst (Jahrgang 1973). Er verließ  Mönchengladbach am 30. November 2001 wieder, um die Kantorenstelle am Mindener Dom und einen Lehrauftrag für Orgelimprovisation an der Hochschule für Musik in Detmold zu übernehmen. Seit 2003 ist er Domorganist in Paderborn.

 

 

Klaus Paulsen setzt das Erbe fort

Münsterkantor Klaus Paulsen
Münsterkantor Klaus Paulsen

Seit dem 1. Januar 2002 leitet als Münsterkantor Klaus Paulsen, der bei seiner Berufung nach Mönchengladbach 44 Jahre alt war, den Münsterchor. Er stammt aus Wassenberg und wirkte, bevor er an das Gladbacher Münster kam, als Kantor an St. Lambertus in Erkelenz. Er hatte an der Kirchenmusikschule St. Gregoriushaus in Aachen und an der Musikhochschule in Düsseldorf studiert. Einer seiner Lehrer war Viktor Scholz. Sein Werk setzte er fort. Über die musikalischen Qualitäten des neuen Chorleiters konnten sich die Zuhörer beim Münsterkonzert am 24. November 2002 ein Bild machen, als der „Messias“ von Georg Friedrich Händel (1685-1759) zur Aufführung kam.

 

Die „Rheinische Post“ lobte die „genaue Einstudierung des Werkes sowie das präzise, fordernde Dirigieren“.

 

Auch bei dem am 30. November 2003 aufgeführten „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach bescheinigte die „Rheinische Post“ dem Dirigenten „viel Gespür für klangfarbliche und sinnlich wirkende Reize“ und stellte den „geschlossenen Klang“ des Chors heraus.

 

Ebenso pries sie die „Klangpracht“ des Chors, verstärkt durch den „Jungen Chor von St. Anna-Windberg“, bei der Darbietung der Messe von Francesco Cavalli (1602-1676) im Jahr 2004 und stellte die „faszinierende“ Darbietung des Requiems von Luigi Cherubini (1760-1842) heraus.

 

Propst Dr. Albert Damblon
Propst Dr. Albert Damblon

Ein besonderer musikalischer Höhepunkt war die Aufführung des Oratoriums „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in der Marienkirche in Rheydt, wo der Münsterchor und der Marienchor aus Rheydt 2005 unter Leitung von Theo Laß nach langen und anstrengenden Proben, wie es in der Chronik heißt, das schwierige Werk meisterten.

 

Unter dem Dirigenten Klaus Paulsen gelangen dem Chor hoch gelobte Interpretationen. Erwähnt sei die „Missa in C“ (Waisenhausmesse KV 139) von Wolfgang Amadeus Mozart anlässlich eines Benefizkonzertes für das Gladbacher Münster am 12. November 2006.

 

Ferner sind zu nennen das „Magnificat“ von Johann Sebastian Bach und die „Vesperae solennes de Confessore“ (KV 339) von Wolfgang Amadeus Mozart, die beide im Rahmen der Heiligtumsfahrt 2007 erklangen. Schließlich sei auf das „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach im Münsterkonzert vom 9. Dezember 2007 hingewiesen. Mit zu dem Erfolg des derzeit 57 Mitglieder zählenden Chors tragen auch die Verstärkung durch bis zu zehn Projektsängerinnen und -sänger bei.

 

Schon jetzt lässt sich sagen, dass es Münsterkantor und Chor gelungen ist, das verpflichtende Erbe der Darbietung hervorragender Kirchenmusik zu wahren.

 

Die Verbundenheit zur Kirche drückt sich nach wie vor dadurch besonders aus, dass der jeweilige Propst des Münsters zugleich Präses des Chors ist. Bis zu seinem Tod 1984 war dies Josef Kauff, ihm folgten Edmund Erlemann und ab 2003 Dr. Albert Damblon.

 

Der Münsterchor mit Zukunft

Wenn die Katholische Kirche und ihre Gemeinden in den vergangenen Jahrzehnten weniger Mitglieder und Gottesdienstbesucher zählen können, bleiben auch Kirchenchöre - wie der Münsterchor - von einer solchen Entwicklung nicht verschont. Auch hat die Bereitschaft zu einer längerfristigen Bindung, wie sie etwa für eine qualifizierte Chorarbeit notwendig ist, in unserer Gesellschaft deutlich nachgelassen. Diese und sicher auch weitere Gründe haben seit 1984 dazu geführt, dass sich die Anzahl der aktiven Mitglieder im Münsterchor um etwa 30 Personen auf 58 Sängerinnen und Sänger reduziert hat. Die aktiven Mitglieder sind nur zu einem gerungen Teil in der Innenstadt von Mönchengladbach und damit im Einzugsbereich der Pfarre St. Mariae Himmelfahrt sesshaft. Der Altersdurchschnitt hat sich in den vergangenen 25 Jahren erhöht.

 

Durch die Einstudierung anspruchsvoller musikalischer Werke zur Aufführung im Rahmen der Gottesdienste der Gemeinde und in Konzerten konnten einige Projektsängerinnen und –sänger als ständige Mitglieder im Chor gewonnen werden. Das Werben um junge Nachwuchssänger und -sängerinnen gestaltet sich jedoch - trotz der Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und „Gladbacher Singschule“ – als sehr schwierig.

 

Münsterkantor und Vorstand betrachten es deshalb als eine wesentliche Herausforderung zur Sicherung der Zukunft des Münsterchores, musikinteressierte Personen für das Singen im Münsterchor zu gewinnen.

 

Norbert Kleinendonk
Norbert Kleinendonk

Wie schon immer, ist der Chor gleichzeitig eine Vereinigung von Gleichgesinnten, die über den Gesang hinaus geselliges Leben pflegen. Dafür sorgten und sorgen nicht zuletzt die Vorsitzenden: Albertleo Wolf und ab 1987 Norbert Kleinendonk. Nicht nur zu den Generalversammlungen trifft man sich, sondern auch zu Chorausflügen, Fahrradausflügen, Seniorenkaffees, Cäcilienfesten u. a. m. Dass all dies mit Freude und Begeisterung machbar ist, sieht man an der langjährigen Zugehörigkeit mancher Chormitglieder. Ehrungen für 25, 40, 50 oder gar 60 Jahre Mitgliedschaft sind keine Seltenheit.

 

Das große Engagement der handelnden Personen wie auch die anspruchsvollen musikalischen Aufgaben, denen sich der Chor in Liturgie wie Konzerten stellt, sprechen dafür, dass der Münsterchor Substanz genug hat, um nach einer ereignis- und erfolgreichen Geschichte von 175 Jahren noch weitere Jahrzehnte seinen Dienst an der Kirchenmusik - auch in der geplanten neuen Gesamtgemeinde der Gladbacher Innenstadt - fortzusetzen und in 25 Jahren sein 200. Stiftungsfest zu feiern.

 

der Münsterchor zum 175-jährigen Jubiläum 2009 (Foto Johannes Pöttgens)
der Münsterchor zum 175-jährigen Jubiläum 2009 (Foto Johannes Pöttgens)
Titelbild der Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum 2009
Titelbild der Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum 2009